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Kurzgeschichten > Wahre Geschichten
Meine Muttersprache ist Russisch nun gewiss nicht. Umgekehrt gibt es auch die Über-Integration respektive Anpassung der Einheimischen, speziell dort, wo Tourismus betrieben wird. So hat sich gestern auf dem Moskauer Weihnachtsmarkt eine ziemlich ältere Verkäuferin mir in den Weg gestellt, sie hüpfte förmlich vor mich, fit wie ein Turnschuh, in einer Hand mit einem Souvenir wedelnd und mit unüberhörbarem russischem Akzent sagend „werri werri nä-iss Suwenirr, tschip“*; ob sie wirklich Englisch sprechen kann oder ob sie nur Sätze auswendig gelernt hat, weiss ich nicht, ich war im Moment zu überrumpelt und irritiert, dass in Russland jemand von der Strasse eine Fremdsprache (vorgibt) zu können / kann. Und genau in einem solchen Moment fühlte ich mich als offensichtlicher Ausländer ertappt, ich, der sich doch Mühe gibt, unauffällig durch die fremden Welten zu spazieren und sich eben anzupas-sen versucht, von Integration wollen wir jetzt nicht sprechen. Eine Freundin von mir sagte: „wer in ein fremdes Land geht, kauft mit dem Ticket auch die Konsequenzen.“ Um zum Beginn der Geschichte zu gelangen: bin ich nun russischer als die Verkäuferin im Lebensmittelladen? Oder ist sie bloss funktionaler oder funktionierender als ich? Was würde die Weihnachts-marktfrau verstehen, wenn ich plötzlich mit ihr Englisch sprechen möchte? Wenn ich ein Souvenir ihr abkaufte, würde es mich wenigstens an sie, die fitte Oma, erinnern. Ob ich einen russischen Sprachenpass erhielte, bleibt dahingestellt. Haben Sie heute schon einen Nominativ ins Gesicht geknallt gekriegt, oder waren die Verben nicht fertig konjugiert?
* sehr, sehr schönes Souvenir, billig.


9. April 2015
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