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Der Bootstrapvirus
von Peter Schönau >>
Es war Freitagnachmittag; die Büros der Konzernzentralen leerten sich früher als sonst.
In den Rechenzentralen hatte gerade die tägliche, wöchentliche oder monatliche Datensicherung begonnen.
Sie war in der Betriebssystemliteratur der verschiedenen Systeme kaum unterschiedlich festgelegt. Bei Hoffmann La Roche in Basel im Gebäude 74 in der Grenzacher Straße lief diese Routine deswegen genauso ab wie bei Böhringer und bei den Bayerwerken im Gebäude Q24.
Die Systemverwalter gaben ihr Paßwort ein, starteten das Backup, die Bandlaufwerke liefen in ihre Position, und Sekunden später kündigten ihr rhythmisches Surren und das Flackern der Laufwerkskontrolleuchten an, daß die Datensicherungsprozedur lief.
Jetzt leerten sich auch hier die Büros: Programmierer, Terminaloperatoren, Systemverwalter und Netzwerkmanager überließen den ratternden Plattenstapeln, surrenden Magnetbändern, bernsteingelb und grün blinkenden Leuchtanzeigen das Feld - bis zum nächsten Montag.
Es war genau 22.30 Uhr, als sich - zuerst in Basel, dann in Ingelheim und zuletzt in Leverkusen - etwas Ungewöhnliches ankündigte: Die dunkelgesteuerten Systembildschirme erstrahlten grell und spieen aufgeregt lange Kolonnen von Zahlen und alphanumerischen Zeichenketten aus. Das Surren der Magnetbandlaufwerke und das Rattern der Plattenstapel wurde unregelmäßig, und mit einem Geräusch wie von der Abspielnadel eines alten Grammophons, die durch einen unbeabsichtigten Stoß knirschend über die Schellackplatte schrammt, standen plötzlich auch die Lese-Schreibköpfe der Laufwerke still; die Laufwerkskontrolleuchten erloschen schlagartig, um dann auf rotes Dauerlicht zu schalten. Die Bildschirmmeldungen endeten mit einem verzweifelten: Unprogrammed Machine Halt!
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