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Younis
von Marc P Sahli >>
Ich könnte in meiner sterilen Raumkapsel vor dem Fernseher sitzen, wie es so viele tun, in einer Stadt, die mit dem Sonnenuntergang zu schlafen beginnt. Aber zum Glück für mich – denn ich bin eigentlich sehr faul - besitze ich kein Gerät, und bin deshalb oft mitten unter der Lokalbevölkerung anzutreffen. So erfahre ich zum Beispiel, dass Ahmed sowohl ein Café in der Medina als auch an der Septemberstrasse besitzt, werde Zeuge von kleinen Alltäglichkeiten, dem Mikrokosmos der Bevölkerung in ihrem Alltag. So erzählte mir Younis, ein Verkäufer, Mitte zwanzig, dass er acht Geschwister hätte und dass er die ganze Familie ernähre. Younis ist ein fröhlicher junger Mann, freundlich, er spricht sogar ein wenig Englisch, was in seinem Alter hier nicht selbstverständlich ist. Er nutzt das wenige Englisch, um aus seiner Raumkapsel auszubrechen, so haben wir uns getroffen, zwei Astronauten auf dem Planeten Tripolis, 11 Uhr abends. Jetzt kann ich mich Younis nicht mehr entziehen. Ich bin Teilhaber seiner Geschichte seit er sie mir erzählt hat .Ich stelle mir vor, was wohl wäre, wenn niemand einen Fernseher besässe. Man würde wohl wieder miteinander sprechen. Ganze Nationen würden sich wohl freundlich und friedlich begegnen. Im Laden, wo Younis arbeitet, entsprechen drei Hemden seinem Monatsgehalt. Younis ist ein freundlicher Verkäufer. Ich kaufe gern bei ihm ein.
(ca. 2004)
15. August 2012 |
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