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Herzlich willkommen in der Vergangenheit
von Sandra Frei >>
Herzlich Willkommen in der Vergangenheit
„Bääh, Sonne!“, knurrte ich vor mich hin und trat ins Freie. Sonne passte nicht. Nicht zu meinem Leben, nicht zu meiner Situation und schon gar nicht zu meiner Laune. Regen, Sturm und Hagel wäre angemessen gewesen. Von mir aus auch eine zweite Sintflut. Aber neeeinn, natürlich musste es Sonne sein. Schliesslich wollten die Touristen in ihrem Italienurlaub Rom bei glühender Hitze erkunden. Wen interessierte es da, dass Rom von meiner Heimatstadt Florenz über 280 Kilometer entfernt lag? Niemand. Ich hasste mein Leben. Echt. Und alles nur wegen meinem Vater. Wenn er sich nicht nach dem vierten Geburtstag meiner kleinen Schwester Chiara klammheimlich davongeschlichen hätte, dann würden wir jetzt mit unserer Mutter nicht in dieser Schuhschachtel von Wohnung wohnen und Chiara könnte noch laufen. Mit fünf Jahren hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, ihren Vater in Florenz suchen zu gehen. Dabei wurde sie von einem Auto angefahren und sass jetzt im Rollstuhl. Danke, Papa. Danke, Gott! Wenigstens etwas machte mich noch glücklich: Bücher. Stundenlang konnte ich in anderen Welten versinken, Welten voller Abenteuer, Welten voller Glück und Hoffnung. Bücher lenkten mich von meinem trostlosen und monotonen Leben ab. Manchmal kam es mir vor, als würde ich nur leben, um mich um Chiara zu kümmern. Seit ihrem Unfall liess ich sie nicht mehr aus den Augen. Meine beste Freundin Gloria war nicht gerade begeistert darüber, dass ich meine Schwester überallhin mit schleifte, aber sie akzeptierte es. So selbstsüchtig sie manchmal auch tat, sie war nun mal meine einzige Freundin. Und die Einzige, die über meine sozialen Umstände hinwegsah und mich so |
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