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Kurzgeschichten > Menschen

Gestern wird sein / aufräumen

von Marc P Sahli >>

An einem unauffälligen Holzstand auf dem Touristenmarkt "Vernisazh Izmajlovo" sitzt dick vermummt auf einem Stühlchen Gospodin Smirnov. Er ist ein Künstler aus Petersburg, 88 Jahre alt. Während ich seine alten Oelskizzen aus den 60-ern auf Karton anschaue, erzählt er, dass er schon längere Zeit nicht mehr male, seine Arthritis lasse es nicht mehr zu. Was er nun veräussere, seien Findlinge seines Künstlerlebens. Mir kommt derweil das Wort "Schubladenzusammenwischete" in den Sinn. Er müsse seine karge Rente aufbessern, die Medaillen als verdienter Künstler der CCCP (UDSSR) haben Staub angesetzt, auch die will er verkaufen, denn davon leben kann er nicht, vom Ansehen vergangener Dezennien. Heute zählt der rollende Rubel. Jemand hat gesagt, er hätte den Eindruck, dass wer könne "take your money and leave the country", sein Geld nehme und das Land verlasse. Smirnov putzt sein Leben, verkauft neben vielen anderen seine liebgewonnenen Sachen aus der Wohnwand. Er bietet seine alten Arbeiten feil, um in die Zukunft zu schauen: er wolle nicht, dass bei seinem Tod seine Nachfahren zuviel zu tun hätten mit der Wohnungsauflösung. Aufräumen. Smirnovs Schritte in die nächste Zukunft, die ihm bevorsteht, ist wie jene in seine Vergangenheit. Mir wird bewusst, dass Smirnov und ich einiges gemeinsam haben: jeder meiner Schritte in Moskau vorwärts ist wie einer in die Vergangenheit. Manchmal blitzt ein déja-vu hervor, die Flash-backs sind rege und bloss wie 1 Millimeter entfernt. Vergangenheit. Ich frage mich, ob etwas daran ist, dass die Zeiten die 4. Dimension, nur Bruchteile entfernt sind, und somit gleichzeitig neben uns. Smirnov überlässt mir 10 seiner Arbeiten für 60CHF. Die hingeworfenen Skizzen "seiner" UDSSR der 60er sind für mich interessanter, als viele Touristenbildchen auf
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