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Das Feuer
von Marc P Sahli >>
Wer kennt es nicht, das Märchen von Andersen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“? Das arme Mädchen zündet klamm vor Kälte eines der Streichhölzer an. Im Lichtschein fühlt es sich, als säße es am warmen Ofen, doch dies Gefühl hält nur solange, bis das Schwefelhölzchen erlischt. Das Mädchen zündet auch die übrigen Streichhölzer eins nach dem anderen an und hat wohl halluzinogene, mannigfaltige Träume. Schließlich begegnet es seiner Großmutter und bittet diese, es in den Himmel mitzunehmen. In der Erzählung ist klar, dass das leidende Mädchen in der realen Welt den Erfrierungstod gestorben ist.
Kürzlich ist mir nach dem Umzug, Rückzug in die Schweiz in die Nähe Berns das Gefäß in der Küche in die Hände gefallen, wo ich die Streichhölzer aufbewahre. Darin war eine etwas ältere, abgegriffene Schachtel mit dem Moskauer Kreml als Motiv; viele Jahre hat mich diese begleitet und ich hatte sie immer mit Streichhölzern nachgefüllt.
Nun ist nicht nur die Reibfläche auf der Seite abgegriffen, abgeschliffen vom ewigen Gebrauch, nein, auch meine Einstellung, meine Erinnerungen. Diese Streichhölzer können nicht mehr angezündet werden. Ich habe die Zündholzschachtel kurzerhand fortgeworfen. Zu etwas erfreulicherem: in der Nähe meines Arbeitsplatzes gibt es einen Bistro-Kiosk. Der Besitzer ist Armenier. Sein akzentreiches Deutsch ist zwar etwas besser als mein Russisch, aber wir unterhalten uns in einem scheußlichen Gemisch Kanak-Sprak, nur vielleicht nicht so szenig cool wie bei den türkischen Migranten; sobald ihm das deutsche Wort nicht einfällt, fährt er in Russisch weiter, und ich, wenn ich das russische Wort nicht weiß, das deutsche einstreue. |
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