Kurzgeschichten > Liebe |
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sich und der Welt, ohne diese Kluft überbrücken zu können. Es ist etwas, über das man nicht sprechen kann, worüber man also schweigen muss, weil es sich – eben ausgesprochen – auslöscht.
Die wahren Künstler sind die Philosophen; glaube mir, die Philosophen, die der Wahrheit eins auswischen und aus den Tiefen aufsteigen wie Phönix aus der vertrockneten und staubigen Asche, um mit einem fallschirmseidenen Lächeln über eine Welt aus Worten hinweg zu segeln, getragen von den Winden des Fremdseins, des einzigen Vertrauens einer enthaupteten Jungfräulichkeit, derer wir uns sicher sein können. Androgyne, Androgyne, höre ich dich aufschreien im fernen Paris – ist es eigentlich auch so heiß dort? –, Androgyne, immer wieder, und weiß, besser als je ein anderer zuvor, um deine melancholische Ausgelassenheit, um deinen tiefen, archaischen Wunsch, nackt, splitternackt, überall und immerzu nackt sein zu wollen. Aber du schämst dich. Warum eigentlich?
Du siehst, ich habe mir Gedanken gemacht über dich und mich, über die Welt und unser Schweigen. Ich hoffe, dass es dir nicht unangenehm ist, von mir in ein Gespräch verwickelt zu werden, das du vielleicht gar nicht führen willst (was ich aber nicht glaube!). Aber es steht dir ja frei, den Brief zur Seite zu legen, oder in den Ofen zu werfen. Hast du diesen zierlichen Ofen noch, mit dem du im Winter deine Zimmer beheizt? Steht er noch an seinem Platz, in der Ecke hinter dem Bett?
Damals, als ich dich besucht habe, es war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben, im Winter neunundneunzig, mussten wir die Verbindungstür der beiden Zimmer offen lassen, damit die Wärme sich gleichmäßig ausbreiten konnte. Ich habe immer auf dem Boden vor |
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