Kurzgeschichten > Liebe |
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Gegenwart geworden sein werden, reife rote und gelbblasse Gegenwart, die geschmeckt werden will und in ihrer Anmut danach verlangt, in sie hineinzubeißen, sie zu genießen, ihr Fruchtfleisch vom Kern abzuknabbern und diesen dann auszuspucken, ohne darauf zu achten, wo er landet). Wie beginnen, habe ich mich gefragt, mit welchen Worten, nach so langer Zeit.
Oft habe ich in den letzten beiden Jahren (so lange schon ist es her, dass wir nichts voneinander gehört haben) vor einem leeren Blatt Papier gesessen, um dir zu schreiben … – über Liebe Lucile bin ich jedoch nie hinausgekommen. Stets habe ich den Laut meiner inneren Stimme vermisst, der notwendig ist, um einem Brief – und dann auch noch an dich – den Sinn zu geben, den er verdient. Ein Brief sollte die Öffnung des Herzens sein zu einem Gespräch, einem Gespräch mit dir, bei dem ich mir vorstelle, wie du in deiner Pariser Wohnung sitzt und dein Gesicht in meine Zeilen legst, wie du geduldig Wort für Wort mit einem Lächeln oder einem leichten Kopfschütteln begleitest, ohne ein Ende des Briefes herbeizusehnen.
Vielleicht wunderst du dich, warum ich dir schreibe, jetzt, nach zwei Jahren des Schweigens, zwei Jahre, in denen wir weder den Postboten mit der Zustellung eines Briefes, nicht einmal einer Postkarte (auf der unter deinem Namen Hallo Herr Postbote deine Frau wird gerade von einem anderen gevögelt steht), noch den Schaffner im Zug nach Paris oder nach Bonn geärgert haben. Irgendwie ist es immer noch wie früher, als ich die Gedanken und die Gefühle, die mich berührt haben, nur mit dir besprechen mochte. Nur in deiner Gegenwart empfand ich mich ernst genommen, fühlte ich mich verstanden und vor allem – |
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