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Alles wie früher
von Wilma Huber >>
Ich stehe hier auf der Brücke. Unter mir rasen Autos und schwere Lastwagen vorbei. Der Wind durchfliesst mein Haar, wie kaltes Wasser. Die Autos hupen. Sie sind fürchterlich laut, aber hören kann ich sie nicht. Langsam durchgeht in meinem Kopf eine Szene. Du schaust sie an. Du lächelst das Lächeln, welches ich liebte. Du lächelst sie an, wie mich zuvor. Es bricht mir das Herz. Es zerreisst es regelrecht in tausende von blutroten Stücken. Dann siehst du mein Gesicht, durchzogen mit Hass. Dieser Hass gegen mich, weil ich nicht so bin wie sie. Weil du mich nicht liebst. Du spürst, dass ich in mir zusammenfalle. Und du schüttelst sanft den Kopf und sagst: „Es wird nie wie früher sein.“ Danach schaust du weg und mir strömen die Tränen über die kalten Wangen. Wenn die Szene dann langsam verschleiert und kurz darauf verschwindet, stehe ich immer noch auf der Brücke. Ich weiss, dass du mich vermissen wirst. Ich weiss, dass du dir Vorwürfe machen wirst, aber der Schmerz ist unerträglich. Letzten Endes schwindet die Angst vor der Höhe und ich stelle mir vor, du ständest da unten und würdest mich auffangen. Dann spring ich und pralle auf einem weichen Sessel, von Wolken gebildet, auf. Du hälst meine Hand in deiner und lächelst mich an. Wie früher.
2. Februar 2009 |
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