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Alle Wege führen nach Rom
von Marc P Sahli >>
Es ist spät am Abend, als ich im Tram vom Besuch im Westen Berns nach Hause in den Südosten der Stadt fahre. Die Fahrt dauert lange und führt mich über den Hauptbahnhof. Es ist still, die Trottoirs sind wie hochgeklappt und die Einwohner scheinen nicht mal zu atmen, um ja keinen Lärm zu verursachen. Ich dachte eigentlich, dass man am meisten Zeit mit den wenigsten Kilometern in Kosovo verbrate, wenn man entweder über die Schlaglochstrassen fährt oder im Stau steckt, dem ist jedoch nicht so. Es muss in Bern sein mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Alle gefühlte paar Meter hat es eine Haltestelle. Diese gemütliche Langsamkeit lässt mich träumen, hänge meinen fliegenden Gedanken nach, und mir kommt der Text von Mani Matters Lied in den Sinn:
Geschter z'Nacht het ds Nüünitram statt hei i ds Depot z'gah
Plötzlich, niemer weiss warum, sys Schinegleis verlaa
Isch zum Himmel ufegflogen und dert natina
I dr Nacht verschwunden ohni Spure z'hinderlaa
Ich fühle nun den poetischen Gehalt der Lautsprecherdurchsage, die eigentlich eine inhaltlose Phrase ist: „Bern Hauptbahnhof – Umsteigemöglichkeit in alle Richtungen“. Es ist faszinierend je nach Wille in jede Richtung weiter zu können, vielleicht auch beängstigend, grad wenn man nicht wirklich weiss wohin man will, wohin man soll. Eine meiner Freundinnen sagte, dass sie glaube, sie gehöre zu den Charakteren, die ein ganzes Leben lang unentschlossen an der selben Haltestelle sitzen bleiben könnten.
Somit könnte ich nun auch sitzen bleiben oder nach Pristina reisen, Moskau, Tripolis oder wie das Nüünitram bei Mani Matter auch in den Himmel fliegen.
20. November 2014 |
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