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ein gewöhnlicher Abend in Tripolis, Libyen
von Marc P Sahli >>
„Ja, Mama, ich bringe eine Brieftasche für Vater, wenn ich komme, es ist ja billiger hier.“ Kaum den Hörer aufgelegt, stutze ich; wo um alles in der Welt soll ich auf die Schnelle eine Brieftasche herkriegen, am Vortag der Abreise in die Schweiz? Noch nicht fertig gedacht, sitze ich auch schon im Taxi. Irgendwo ins Zentrum rein. „Shara’a Mgarief, minfadlak“1), sage ich dem Fahrer. Ah, den Accessoireladen an der Mgarief Strasse, wo ich schon lange nicht mehr war, gibt es noch. „Hello Marc“, werde ich begrüsst, freundlich wie immer, ob ich nun erst gestern da gewesen wäre oder schon ein Jahr nicht mehr. „Äh, hello, Dings…“, rutscht es mir beinahe raus… der Name will mir nicht mehr einfallen. Tatsächlich hat dieser Laden einige schöne Brieftaschen und auch neue Krawatten. Ich entscheide mich für eine schwarze und eine blaue und und noch eine Krawatte, sowie für ein Portemonnaie. Ein paar nette Worte gewechselt, den Preis runtergehandelt und den Namen des Verkäufers aufgeschnappt, möchte ich weiterziehen. „Oh, please, Marc, can you help me with the visa application?“2) Der Ladeninhaber möchte an die Uhrenmesse in Basel. Ich erkläre ihm, wie das Formular zu holen ist.
Nachdem ich mich endlich verabschieden konnte, übrigens Usama ist sein Name, treffe ich in der Strasse zwei Jungs. Ihnen gehört offenbar der Nachbarladen, ein Herrenausstatter. „Where are you from? Welcome!“ 3) Sahli mein Name, ist weit verbreitet in arabischen Ländern, ich weiss - und rein in den Laden. Schöne Hosen haben sie, sogar in meiner Grösse. Anprobiert ist schnell, es passt, bis auf die Länge, und es schiesst mir durch den Kopf: wo um Himmels Willen kann man um 22.00 Uhr noch Hosen kürzen lassen?
Kein Problem, er führt mich durch eine dunkle Seitengasse in ein Schneideratelier. |
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