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Der neofeudal gestutzte Rasen, eine Fabel
von Marc P Sahli >>
Ich wachte am 32. des Monats aus fiebrigen Träumen auf und sah draussen, wie die überrei-fen Birnen vom greisen Birnbaum im Gras lagen, nicht mal Säuen als Futter dienend. Am nahen Einfamilienhaus hat der Roboter-Rasenmäher ganze Arbeit geleistet: alle Grashälmchen über den gleichen Kamm geschert, jedes millimetergenau ausgerichtet und gleich lang. Wehe, eines würde sich erfrechen und aus der Masse herauslugen. Der Roboter weiss, dass er eine austauschbare Arbeitsdrohne ist, deshalb gibt er sich ja auch besonders viel Mühe bei der Monokultur und frönt dem Shareholdervalue, respektive dient ihm zu, zu mehr reicht es nicht, er wird selbst kurz gehalten. Früher war an diesem nun so sterilen Ort eine Wildhecke, eine Wiese mit Blumen, Schmetterlingen und Vögeln, die damals noch verweilten und das natürlich gewachsene Ökosystem genossen. Ja, so eine Monokultur können halt nur noch Roboter im Zaume halten, auf Effizienz getrimmt und vielleicht sogar ISO zertifiziert. Ich erinnere mich gut an die duftende Wiese, nennen wir sie Individualität, gar Gestaltungsfreiheit? Wenn das keim-freie Räseli mit Kompost gedüngt würde, wie früher die Wiese, Krume und Hag, es würde jämmerlich verbrennen. „Meh Dräck“, ich schliesse mich diesen Worten an. Ich lasse meinen Blick schweifen, um zu sehen, ob ich alleine bin und sammle ein paar faule Birnen auf und werfe sie hinüber in Richtung nach neoliberaler Sterilität stinkendes Subjekt, um den Rasen-roboter zu ärgern. Ha! Nimm noch eine! Und hier! Doch plötzlich halte ich inne. Ich erblicke ganz am Rande des Grundstücks einen fröhlich gelb blühenden Pippau und gleich daneben ein Hirtentäschel und weiter hinten reckt sich, wenn ich mich nicht irre, ein Wiesenschaumkraut. |
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