Kurzgeschichten > Gesellschaftskritisches |
 |
|
Jedes Mal, wenn ein Ziel auf einem vermeintlichen Zwischenhoch befand, stellte er mit Erleichterung fest, dass es nur kurz flacher wurde, um danach noch steiler hinauf zu gehen. Das erste Mal, als er ein solches Ziel erreichte, kriegte er ein mulmiges Gefühl, richtiggehend Angst, es könnte danach nach unten gehen. Ein Gefühl, dass er aus der Arbeitswelt nicht kannte. Nach dem dritten Mal aber hatte keine Angst mehr. Er wurde, im Gegenteil, mutiger, setzte seine Ziele an Orte, bei denen er nicht sehen konnte, wie es weitergeht. Am das Ende dachte er bald nicht mehr. Dachte nicht mehr daran, oben anzukommen und wieder nach unten zu müssen. Er dachte nicht mehr an die Arbeit, an das Angebot, seinen alten Job wieder einzunehmen. Ein Schritt rückwärts zu machen auf der Karriereleiter. Den ersten. Er wusste, es würde danach nie wieder nach oben gehen. Aber er dachte nicht daran. Jetzt ging es noch aufwärts, und das war das einzige, dass zählte. Was danach kommen wird, würde er schon merken. Er würde es wissen, sobald er oben angekommen war. Er würde zum ersten Mal erleben, was es heisst, nicht mehr weiter rauf zu können. Bis dahin brauchte er nicht daran zu denken.
Seine letzten Schritte hinauf auf den Gipfel ging er langsam, aber bestimmt. Beinahe feierlich, in freudiger Erwartung. Wie jemand, der ein Geschenk öffnet. Nichts von der Niedergeschlagenheit, nichts von der Angst und der Demut, die er erwartet hatte. Es waren nicht die Schritte eines Verdammten auf das Schafott. Es waren die Schritte eines Entdeckers, der Neuland betritt. Bestimmt und erhaben. Und mit dem festen Willen, nicht umzukehren.
3. August 2007 |
 |
zurück |
Seite
von 4 |
|
 |
Kommentare (0) |
|