Kurzgeschichten > Gesellschaftskritisches |
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Die Produkte interessierten ihn nicht, den Anschluss hatte er bereits verpasst. Er legte den Prospekt weg und entschied sich, die vierzig Minuten zum Bahnhof zu laufen. Es konnte nicht schaden, schon von zuhause loszulaufen. Ein symbolischer Akt, dachte er, und ärgerte sich, dass er seinen Vorsatz schon wieder nicht eingehalten hat. Nicht denken! Nicht über die Vergangenheit, nicht über die Zukunft. Und schon gar nicht über den heutigen Tag. Er wollte nur zuschauen. Zuschauen, wie sich der Horizont erweiterte, wie die Enge rarer wurde, je weiter er hinauf ging. Und ganz oben, dachte er sich, ganz oben würde er nicht hinunter schauen. Nicht sofort jedenfalls. Er würde in die Weite spähen, so weit wie nur möglich. Sehr weit konnte das nicht sein. Da ist immer ein Berg im Weg in den Schweizer Alpen. Aber vielleicht war das auch besser so. Er würde ein letztes Mal zuoberst auf der Spitze stehen und keinen Blick, keinen Gedanken darauf verschwenden, was hinter ihm liegt. Sich noch einmal sicher fühlen, die Gewissheit spüren, dass es weiter nach oben ging. Die Arme ausstrecken und versuchen, zu fliegen. Um einmal, und endgültig, zu erleben, wie diese Illusion zerbricht. Die Illusion, im Leben ginge es nur aufwärts. Oder um im freien Fall nach unten zu stürzen. Das war seine Alternative, sein Plan B. Und sein Trost. Notfalls, dachte er, könnte er sich immer noch einfach in den Tod stürzen.
Schon um sieben Uhr war er auf dem Pass angekommen. Er war noch dunkel. Zumindest noch nicht ganz hell, düster. Noch hingen Nebelschwaden an den Hängen. Der Wetterbericht aber versprach Föhn, mit „herrlicher Weitsicht“. Das würde helfen, dachte er. Jetzt war er aber froh, nicht bis ganz nach oben zu sehen. Und nicht zu weit hinunter, sollte er sich denn mal umdrehen. |
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