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Analog schreiben
von Marc P Sahli >>
Obwohl ich bislang Handschrift dringend benötigte, um Gedanken wortwörtlich langsam fliessen zu lassen, schreibe ich nun diese Geschichte eigenartigerweise direkt am Bildschirm. Die Literaturforschung wird künftig eine Textentwicklung eines Schriftstellers nicht mehr nach-vollziehen können, weil die Entwicklung eines Textes nicht mehr sichtbar ist; nichts wird mehr durchgestrichen sein oder mit Pfeilen anderswo im Textfluss verortet. Und welcher Schriftsteller braucht schon die Funktion „Trackchanges“ im Word? Man kann elektronisch gestützt umstellen, verschieben, löschen wie man will, Fehler sind kein Grund mehr sich zu ärgern, das schriftstellerische Papierzerknüllen und das federleichte Papierbällchen in den Papierkorb zu zielen entfällt; Texte erscheinen nunmehr in Arial, Schwarz auf Weiss, glatt und unpersönlich; die Zeiten sind vorbei, wo das Schriftbild und die Korrekturen ebenso interes-sant waren, wie der erzählte Text. Was schreibt man heute noch handschriftlich? Vielleicht einen Fresszettel mit den benötigten Einkäufen: „Brot, Butter, WC Papier und Kondome“, gekritzelt vielleicht auf einer Couvertecke.
Ich lese heute in der Zeitung, dass es für Schüler schwierig sei, Handschrift zu benutzen und vorallem die Buchstaben miteinander zu verbinden. Die Handschrift wird in Finnland abgeschafft. Sind Schüler feinmotorische Idioten geworden? Welche Auswirkung hat das? Professor Lutz Jäncke sagt, dass er eine Verkümmerung der Schrift bei Studenten beobachte, dieses verkümmerte Schriftbild sei ein Spiegel der Sprachverkümmerung, denn Grammatik, Orthographie und Stil gälten nichts mehr, weil alle schrieben, wie ihnen der Schnabel gewachsen sei, meist mit irrwitzigen Abkürzungen und endlosen Emoticons. Es wimmelt da von „wm wms gg bb bn bm gn ggg hdl akla guk". |
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