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Wie roch damals der Weihnachtsbraten?
von Marc P Sahli >>
Die heilige Zeit, Weihnacht, nähert sich mit Siebenmeilenstiefeln. Bereits Ende Oktober habe ich die ersten Weihnachtsdekorationen und geschmückten Weihnachtsbäume erblickt; irgendwie jedes Jahr früher. Viele fühlen sich in diesen Zeiten angespannt und in Verwandtenkreisen können Festtage gar zu Krisentagen ausarten. Nach so 2 bis 3 Gläsern Glühwein entfacht sich leicht ein Streit mit der Schwiegermutter.
Ich hingegen, ich backe gerne in der Vorweihnachtszeit mit meiner Mutter Weihnachtsgüezi: Mailänderli, Zimtsterne und Brunsli.
Gell, dieses Jahr machen wir nur Mailänderli, das sind die Besten. Am köstlichsten sind sie sowieso, wenn sie innen noch ein ganz klein wenig roh sind. Ganz ausgebacken sind sie zu trocken. Das magst du ja nicht so. Dieses Jahr bist du bei mir zuhause in der Küche, sonst war ich immer bei dir und Vater zuhause an Weihnachten. Komm, wir nehmen ein Gläschen Prosecco, dann geht es leichter bis schwungvoll. Erinnerst du dich an – wann war das, etwa 2008? – als wir etwas zu tief ins Glas geschaut hatten und gegen Mitternacht noch güezelten? Es ging fast zu und her wie bei der Muppet-Show: Smörrebröd, Smörrebröd, röm, pöm, pöm, pöm…. Zack, klirr. Ach was haben wir zusammen gelacht.
So, ausgestochen sind sie, was meinst du, reichen 180 Grad, mit Ober- und Unterhitze oder doch eher Umluft? Acht Minuten sollten wohl reichen.
Die Mailänderli sind letzte Weihnachten gut geraten, genau richtig, ein ganz klein wenig roh innen. So wie sie wir beide, Mutter und ich, mögen. Die Küche ist schnell aufgeräumt.
Ich stelle das Porträtfoto meiner Mutter wieder auf die Kommode.
Viel zu früh bist du plötzlich von uns gegangen, von mir. Wie früher dein Weihnachtsbraten roch, habe ich leider vergessen.
19. Dezember 2021 |
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