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Verwohnt
von Martin Egli >>
es ist schon bemerkenswert, welchen einfluss das berufliche prädikat einer person in der gesellschaft ausübt.
am deutlichsten fällt das phänomen dort auf, wo menschen sich immer fürchterlich amüsieren und dabei mit aller kunst der gestik möglichst deutlich und scheinbar zweitrangig versuchen darauf hinzuweisen, welche anforderungen täglich auf ihnen lasten, wie wichtig sie sind und wie schaurig schön sie das macht.
dort, wo man eben mal so per zufall zusammenkommt, wie z.b. an den netten häppchen-stehpartys mit allerlei freiliegendem auf- und ausschnitt oder an gesellschaftlichen anlässen mit irgendwelchen themen wie geburtstag oder die theatralische inszenierung der vermählung angereifter biederkeit. warum heissen die veranstaltungen nicht „kollegen suchen“ oder „ich war länger im urlaub als du-party“ oder „hab 5 kilo weniger-apéro“?
man sieht sie von weitem. ein breites lächeln, hergerichtet, als kämpften sie gegen ihre blendende schönheit an, „schlicht“ heisst das heute.
mit leicht geneigtem kopf und auf einem bein stehend, erschiessen sie ihr opfer mit einem wässerigen „halo, ich bin s’eeesthi, ich ghöre zum yyyves... bisch du nüd de maaa vom susy?“
unaufhaltsam reihen sich unwichtigkeiten aneinander, zielstrebig in richtung beruf und einfluss. man kann dem zwar kontrolliert ausweichen, indem auf die unweigerliche frage, wo und wie lange man denn im urlaub war, mit einer technischen abhandlung von ölfilterwechseln in italien antwortet. aber es verzögert den prozess nur und veranlasst das sabbernde gegenüber auf frontalangriff zu wechseln mit „was machsch....?“ |
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