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Kurzgeschichten > Alltag

PAPIERSCHNIPSEL

von Robert Winter >>

Frühes Licht flattert um das Gesträuch vom Stadtpark her, aufflatternde Vögel darin, die langsam erwachende Stadt.

So könnte diese kleine Geschichte beginnen. Und von wem soll diese kleine Geschichte nun handeln? Von Grünfeld.

Grünfeld ist ein hagerer Mann, um die Fünfzig, älter aussehend, der vor uns auf einer Bank sitzt, vornüber gelehnt, und etwas aus einem kleinen Blättchen Papier schneidet, sein Bart ist dünn und grau. Irgendwo singen Vögel und das Scherenblatt blitzt dann und wann in der Sonne auf.

Wer bist du Grünfeld, wo kommst du her?

Die Morgensonne strahlt sein langes Gesicht an; er schweigt – schneidet eine weitere schwarze Form heraus. Er gäbe einen alten Hauswart ab, oder einen Klempner, oder Dieb. Seine weiten schmutzigblauen Arbeiterhosen hängen über zerschlissenen Stoffschuhen herab, neben ihm auf der Bank ein kleines Kännchen, ein altes Thermosgefäß, darin vielleicht Tee oder Kaffee.

Vom Stadtmarkt her hören wir Schrittfolgen, sie schweben an Grünfeld vorbei, achtlos und steif.

Und schon liegt das Sonnenlicht auf dem Sandwegen vor Grünfeld.

Unter dem Bänkchen springen Spatzen umher, angelockt durch die verlockenden schwarzen Punkte der herabregnenden Papierschnipsel: nein, das sind keine Brotkrümel. Grünfeld hält kurz inne, hustet und zündet sich eine filterlose Zigarette an, womöglich ganz leise, lautlos, sieht zu den Spatzen herüber, wie sie hüpfen und frech piepen, was ist zu tun?, und greift in die Taschen und holt einige Körner hervor.

Wir sehen wieder das Licht auf dem Sand vor der Bank.

Der Gerechte findet seine Weide, brummt Grünfeld, steht langsam auf, steckt seine Scherenschnitte weg, greift nach dem Kännchen und
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