Kurzgeschichten > Alltag |
 |
|
Diesmal halte ich seinen Blick. Er auch. Ich höre mein Herz schlagen. Er lächelt und ich lächle zurück. Schnell schaue ich auf mein Buch, spüre wie meine Wangen zu glühen beginnen. Mir ist schwindlig. Ich traue mich nicht hoch zu sehen, habe aber noch das Gefühl, als würden seine Augen noch immer auf mir ruhen. Mit meinem Finger fahre ich die erste Zeile entlang. Die Worte kommen nicht in meinem Kopf an. Ich fühle mich schlecht. Ich sehe abrupt hoch. Er gähnt wieder, hält seine Hand dabei vor den Mund. Seine Augen sind zugekniffen, werfen Falten. Ich geniesse diese Sekunde, versuche sie fest zu halten. Als seine Augen wieder auf mir landen, will ich nicht wegsehen, aber ich kann nicht anders. Automatisch blicke ich auf mein Buch. Ich höre, wie seine Tasche raschelt. Ich merke, wie sein Körper sich bewegt. Ich sehe unvermittelt hoch. Er steht auf und nimmt seine Tasche. „Tschüss“, sagt er und dreht sich um. Ich erwidere nichts, sehe ihm nur nach, wie er sich langsam zum Ausgang bewegt. Der Zug bleibt stehen. Andere Menschen erheben sich. Ich klappe das Buch zu, bevor ich das Lesezeichen hineingesetzt habe und starre aus dem Fenster. Er springt über die letzte Stufe auf den Bahnsteig. Er sieht wunderschön aus. Schnell dreht er sich in meine Richtung und schaut mich an. Nur eine einzige Sekunde. Ich bewege mich nicht, tue nichts mehr. Dann dreht er sich wieder um und geht davon. Ich zittere. Er verschwindet langsam in der Unterführung. Der Schaffner pfeift und der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Ich blicke mich um, versuche ihn irgendwo auszumachen, aber entdecke ihn nicht. Tränen treten mir in die Augen. Ich unterdrücke sie und schlucke sie schliesslich hinunter. |
 |
zurück |
Seite
von 3 |
|
 |
Kommentare (0) |
|