Kurzgeschichten > Alltag |
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in einem Hotel arbeiten. Untergebracht waren wir vier Deutschschweizer Mädchen in einer lieblos eingerichteten äusserst kleinen Holzbaracke. Diese ähnelte ein bisschen einem Häuschen in einem Schrebergarten. Zwei Kajütenbetten standen in einem Raum. Die Betten waren recht kurz und die dünnen dazugehörigen Decken noch kürzer. Es war erst März, windig und kalt. Der Wind pfiff durch das mickrige Fenster und ebenfalls durch die einfache Holztüre und sämtliche vorhandenen Ritzen. Es gab nur kaltes Wasser. Einen kleinen Tisch, zwei Stühle, zwei kleine Schränke und einen Plattenspieler. Ungemütlicher kann man es kaum treffen. Wir froren und hatten Heimweh. In jeder Arbeitspause, morgens beim Aufwachen und abends vor dem Einschlafen lief der Plattenspieler. Die Musikauswahl war recht mager und so tönte es meistens: „Please release me let me go!“ Mit diesem schmalzigen Lied wurde das Heimweh natürlich nicht geringer. Nach drei Monaten hatte ich genug gelitten und flog zurück nach Hause, ohne vorher zu fragen ob allenfalls eine Heimkehr gestattet sei.
Viele Jahre später, ich hatte die 40 bereits hinter mir, starb meine Mutter. Ich glaubte meines Lebens nie mehr froh zu werden. Jedes weibliche Wesen, welches meiner Mutter in Grösse und Gestalt nur wenig glich, entzündete die fast verheilten Wunden aufs Neue. Alle sentimentalen Musikstücke verbesserten die Angelegenheit ebenfalls nicht. Bei Kaminrauch, frisch gemähtem Gras, bimmelnden Kuhglocken, Kirchengeläute und Brunnengeplätscher setzte mein Herzschlag für einen kurzen Moment aus, um dann seinen Takt in trauriger Form wieder aufzunehmen. All diese Gerüche und Töne versetzten mich automatisch in meine liebevolle Kindheit |
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