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Zug bei seiner Abfahrt aus dem Bahnhof nachblicken.
Wartende haben viel Zeit, um ihre Umgebung zu betrachten. Mit Bewunderung blicken sie Geschäftsleuten nach, die sicheren Schrittes zum nächsten Anschluss schreiten oder wie Eltern freudig ihre Kinder vom Schulausflug abholen. Auch verfolgen sie mit echter Anteilnahme, wie ältere Menschen, als Paar oder verwitwet, sich mühsam die wenigen Stufen der Bahnwagen hochziehen. Als stille und unscheinbare Beobachter nehmen sie an den Freuden und Leiden all dieser Leute teil. Anhand dieser Betrachtungen kommt bei den Wartenden auch oft der Wunsch auf, die eine oder andere Reise selbst anzutreten; später, nachdem sie ihr Hauptziel erreicht haben werden.
Aufgrund ihrer Unentschlossenheit werden aber viele Wartenden ihr Hauptziel nie erreichen. Eines Tages wird eine Lautsprecheransage sie jedoch unmissverständlich auffordern, im Nachtzug Platz zu nehmen. Grauhaarig werden sie die Stufen desjenigen Wagen erklimmen, der sie auf ihre letzte Fahrt führen wird. Vom Abteil aus werden die Wartenden dann traurig auf diejenige leere Bank herabschauen, auf der sie von so vielen Reisezielen geträumt haben. Und während der Zug lautlos aus dem Bahnhof rollt, werden sie ihren Koffer fest umklammern, in dem unausgepackt all ihre Wünsche und Träume fein säuberlich aufbewahrt sind ...
2. Februar 2010 |
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