Kurzgeschichten > Alltag |
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Dann, am Montagnachmittag, war der Augenblick gekommen! Ich fühlte mich etwas besser und die mir vom Inder verschriebenen 48 Stunden Ruhezeit waren vergangen. Endlich konnte mein Drache das Licht der Welt erblicken! Ich griff mit beiden Händen an das untere Ende des Heftpflasters und zog es mit großer Mühe über den Rücken nach oben. Die Schmerzen waren immens, da der Klebstoff anscheinend für permanente Applikationen konzipiert worden war. Ich riss unvermindert weiter und ließ laut schreiend meinen Schmerzen freien Lauf.
Mit tränenden Augen blickte ich hinterrücks zum Schrankspiegel. Obwohl ich alles verschwommen sah, bemerkte ich, dass etwas nicht ganz stimmte. Ich rieb die Augen, um mir ein klares Bild über die Situation zu machen. Angestrengt schaute ich wieder zum Spiegel, wobei ich zuerst die Augen und dann den Mund weit aufriss: Auf meinem Rücken prangte ein zischendes Dampfbügeleisen mit roter Kontrollleuchte und verknotetem Stromkabel!
Ich stürzte mich zuerst in eine tiefe Depression und dann zum Telefon. Ich rief den Tätowierer direkt in der Kebabbude an. Aber obwohl ich ihn anschrie, blieb der Inder gewohnt ruhig und freundlich. Er bot mir an, meine Tätowierung abzuändern. Ich wollte aber nicht Gefahr laufen, anstelle eines Dampfbügeleisens ein altes Grammofon auf dem Rücken zu tragen. Ich forderte Schadensersatz und drohte, ihn zu verklagen. Der Inder meinte aber, dass dies zu keiner Lösung führen würde, da er auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren würde – auf meiner Unzurechnungsfähigkeit! Wütend legte ich den Hörer auf. Er hatte recht; selbst eine Gerichtsverhandlung hätte meine Tätowierung nicht rückgängig machen können. Eine Gerichtsverhandlung nicht, sehr wohl aber eine Behandlung beim Hautchirurgen! |
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