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Kurzgeschichten > Alltag
Die Maschine fing zu rattern an und die Tür der Wäschetrommel sprang auf. „Bitte Wäsche einfüllen!“, erwiderte die Maschine unverschlüsselt in Russisch.

Ich war sprachlos! Die Frauenstimme war erstaunlich warmherzig und frisch. Es war nicht die Stimme einer übergewichtigen Parteigenossin, die in ihren Jugendjahren olympisches Gold im Kugelstoßen geerntet hatte und heute im Befehlston und mit entsicherter Maschinenpistole beim Bäcker ein Kilo Brot verlangt hätte. Vielmehr hätte diese Stimme gut zu einer jungen Philosophiestudentin gepasst, die, zur Aufbesserung ihres Stipendiums, bei der Waschmaschinenfabrik in Moskau ihre Stimme für die Tonaufnahmen zur Verfügung gestellt hätte. Tatjana, ja, so hätte die Studentin heißen können.

„Bitte Wäsche einfüllen!“

Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir vor, wie Tatjana nach den Sprachaufnahmen die Waschmaschinenfabrik verließ und zügig den schneebedeckten Roten Platz durchquerte, um zu ihrem Studentenwohnheim zu gelangen.

„Bitte Wäsche einfüllen!“, wiederholte die Maschine, wobei ich nun glaubte, im Rauschen des billigen Lautsprechers auch ein kleines Lächeln vernommen zu haben.

Ich riss mich zusammen und füllte meine Arbeitskleider in die Wäschetrommel ein.

„Bitte Klappe schließen und Waschmittel einfüllen!“

Unkonzentriert schüttete ich das Waschpulver in die dafür vorgesehene Öffnung. Nachdem ich die Waschmittelklappe zugeschoben hatte, ratterte die Maschine abermals.

„Danke!“, antwortete sie kurz darauf mit honigsüßer Stimme.
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