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Kurzgeschichten > Alltag
Da die Waschmaschine für den Fronteinsatz konzipiert war, wies sie einige Besonderheiten auf. So hatte sie ein dezentes grüngraues Gehäuse und einen kleinen, roten, leuchtenden, fünfzackigen Stern, welcher die ständige Waschbereitschaft der Maschine anzeigte. Des Weiteren benötigte sie weder einen Wasser- noch einen Stromanschluss: In ihr Inneres waren zwanzig Liter Wasser fest eingelagert, welche sie fürs Waschen benutzte. Die Stromversorgung erfolgte hingegen über eine ebenfalls fest eingebaute Plutoniumknopfzelle, welche, neben der Energieerzeugung, auch zum Erwärmen des Brauchwassers diente. Zu guter Letzt mussten die russischen Sprachbefehle der einzelnen Reinigungsprogramme verschlüsselt eingegeben werden. So hätte man zum Beispiel mit der Anweisung „Der Dackel meiner Tante trinkt nur Himbeersirup“ das 60°-Waschprogramm für Baumwolle aufgerufen.

Bevor ich meine erste Wäsche mit der neu erworbenen Maschine machen konnte, musste ich notgedrungen die russischen Sprachbefehle erlernen. So verbrachte ich fast einen Monat meiner Freizeit im nahe gelegenen Stadtpark, um dort die russische Sprache zu studieren. Zuhause wäre das nicht möglich gewesen: Da die Maschine in ständiger Einsatzbereitschaft war, wäre ich Gefahr gelaufen, den Waschautomaten während der Sprachübungen versehentlich in Betrieb zu setzen.

Nachdem ich eine passable Aussprache erlangt hatte, sammelte ich all meine schmutzigen Arbeitskleider zusammen, griff zu meinem einzigen Stuhl und nahm vor der Waschmaschine Platz. Ich beugte mich zum kleinen fünfzackigen Stern vor und sagte langsam und deutlich in Russisch: „In Sibirien werden Melonen nie reif!“
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