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Die Spätgeborene - Teil 2
von Mario Petitto >>
Das Charisma meiner spätgeborenen Cousine fiel auch einem Politiker auf: Giuseppe Corfù von der sizilianischen Freiheitsfront. Seine Partei, die nur eine Hand voll Sympathisanten zählte und mehr von kommunaler als von regionaler Bedeutung war, sah meine Cousine als ideales Zugpferd an, um im nationalen, sprich römischen, Parkett Fuß zu fassen. Er versprach ihr, ihre Anliegen ganz oben, im Parlament, vorzutragen. Meine Cousine stimmte zu und kaufte zwei Eisenbahnkarten nach Rom.
In der Hauptstadt quartierten sie sich im schäbigen 2-Stern-Hotel „Astoria“ ein – natürlich in zwei getrennten Zimmern! Dann zog Corfù los und konnte dank seinen schon seit Jahren bestehenden Kontakten mit unseriösen Politikern und ernsthaften Mafiosi kurzfristig eine politische Interpellation beantragen, welche sich über das Selbstbestimmungsrecht bei der Wahl des Geburtsdatums befassen sollte. Als jedoch der Tag kam, an der die Interpellation vorgetragen werden sollte, sah die Regierung sich mehr dazu berufen, die Friedenseinsätze ihrer Truppen im Ausland, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Zerschlagung der Kriminalität zu behandeln, als sich den emotionalen Bedürfnissen einer Juristin aus Messina anzunehmen. In weniger als drei Minuten wurde die Anfrage abgewiesen.
Meine Cousine war empört und mithilfe von Corfù, welcher zahlreiche nationale Medienvertreter heranrief, erklärte sie der ganzen Nation, wie die Regierung die legitimen Bedürfnisse der einzelnen Bürger vernachlässigte. Ihr Aufruf blieb nicht unerhört: Der staatliche Fernsehsender lud sie zu einer populären Abendsendung ein, wo die resolute, aber attraktive Sizilianerin ihrem Unmut freien Lauf ließ. Tageszeitungen und Magazine nahmen sich ihrem Anliegen |
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