Kurzgeschichten > Alltag |
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Vielleicht kann ich Ihnen anhand des Lesens eines Buches meine momentane Lage noch besser erläutern. Der Beginn trägt mit sich eine Vielzahl an ungeklärten Fragen, spannenden Ideen, deren Umsetzung ich mir gespannt entgegensehne. Und natürlich ist das Lesen ein Genuss. Das Abtauchen, die Antworten, die im echten Leben manchmal fehlen, die schöne Sprache, all das. Doch trotzdem ist der schönste Moment das Lesen der absolut letzten Seite, das Zuschlagen des Buches, das tiefe Durchatmen und dieses warme zufriedene Gefühl. In einer gewissen weise eine Vollkommenheit, denn die Geschichte ist fertig, die Moral, die sie mit sich bringt durchdacht und herauskristallisiert.
Nun stehe ich hier. Unter mir der lärmend, reissende Fluss. In der Ferne haftet mein Blick. Ich versuche mich zu rechtfertigen. Versuche meine Argumente zu reflektieren und zu bestätigen. Ein bisschen Angst habe ich. Doch ich kann getrost sagen, dass ich, was ich erleben wollte, erlebt habe. Ich habe Nächte ohne zu schlafe in den Gassen verbracht. Habe Schamgefühle auf der Tanzfläche ausgeschalten. War ganz vollkommen ehrlich und habe mich verliebt. Das Herz wurde mir gebrochen. Habe das Leben eines Studenten, eines normalen Arbeiters und einer Führungsperson geführt. Habe Kommunismus gelebt. War an Demonstrationen, um für Rechte einzustehen, die selbstverständlich sein sollten; ohne Erfolg. Ich habe gelesen, geschrieben und manchmal auch einfach gar nichts getan. Ich war mal glücklich, frönte die Wollust und mal traurig und weinte. Und jetzt brauche ich ein Ende. Eine Antwort. Ich will jetzt wissen wie es nach dem Tod weitergeht. Ich stelle den einen Fuss auf den Absatz um auf die Brüstung zu klettern.
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