Kurzgeschichten > Alltag |
 |
|
Der Mondschein
von Mario Petitto >>
Der Mond übt auf die Erde eine unscheinbare Anziehung aus.
Während sich die Wasser der Ozeane dem Erdtrabanten entgegenrecken und so die Gezeiten bilden, treibt der Mond bei mir mein Bewusstsein aus dem Körper. Einfach so. Diese Erkenntnis, welche mich damals fast zur Paranoia getrieben hätte, erlangte ich in der Zeit, in der ich noch einen Mietkeller bewohnte.
Da ich als Streckengänger bei der hiesigen U-Bahn kaum die Sonne zu sehen bekam, wollte ich wenigstens nachts das Licht der Gestirne in meine unterirdische Kammer eindringen lassen. Darum hatte ich beim einzigen Kellerfenster weder Gardinen noch Vorhänge montiert.
Dann, eines Nachts, als es Vollmond war und das fahle Mondlicht seinen Weg zu meiner Schlafstätte fand, geschah das Unwahrscheinliche: Ich fand mich plötzlich auf meinem einzigen Stuhl sitzend mit Pyjama und Pantoffeln wieder und sah mir selbst zu, wie ich in meinem Bett laut schnarchte!
In den nächsten Nächten fing ich an, im Zimmer herumzulaufen. Schließlich fand ich den Mut, das Kellerabteil zu verlassen, um, so meinte ich, die Welt körperlos zu erkunden. Es erwies sich aber als eine unkluge Entscheidung, sich mit Absicht vor einen fahrenden Lastwagen zu stellen: Ich brach mir beim Unfall ein Schulterblatt! Als ich dem Arzt von meinem nächtlichen Ausflug erzählte, meinte er, dass meine Unfallversicherung, unabhängig vom soeben Geträumten, keine Stürze von der Bettkante zahlen würde. Da war auch das Nummernschild des Lkw kaum von Nutzen.
Als ich wieder gesund war, hielt ich mich bei meinen nächtlichen Spaziergängen an die Straßenverkehrsregeln. Ich besuchte Parks, Museen und öffentliche Plätze. Eines Nachts besuchte ich auch den Hauptbahnhof und stieg |
 |
|
Seite
von 4 |
|
 |
Kommentare (0) |
|