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Der individuelle Fall
von Cornelia Studer >>
Der individuelle Fall
Man kann eine Treppe hinauf oder hinunterfallen. Und weil die meisten Menschen schon mal auf einer Treppe gefallen sind, beschloss F auch auf einer Treppe zu fallen, man muss sich ja anpassen. Da die Leute aber wie gesagt, immer entweder hinauf oder hinunter fielen, entschied sich F für eine Alternative, schliesslich muss man sich ja von den anderen auch irgendwie abheben. Da sämtliche Treppen die F kannte allerdings nicht genug breit waren, dass man beim Fallen auf der einen Stufe bleiben konnte, liess sich F extra eine neue Treppe installieren, zwar nicht im Haus, das hätte nicht zur Gesamtarchitektur gepasst, sondern im freien Feld, die Treppe führte genau genommen nirgends hin, aber als Nebenwirkung ihres Daseins, gab ihre oberste Stufe eine ganz gute Ausgangsplattform ab, wobei sie nicht zu diesem Zweck gebaut war, sondern lediglich dafür existierte, die absolut perfekte Grundlage für F’s individuellen Fall zu sein. F stieg also die superbreite Treppe hoch, und überlegte sich, auf welcher Stufe der Fall am elegantesten aussehen würde, den F sah das Leben hauptsächlich als Inszenierung, als Gesamtkunstwerk. Da geschah das Unvorhersehbare. F klebte auf Stufe 7 fest, F konnte nicht fallen, und nicht weitergehen, da gab es keinen Spielraum mehr für Inszenierung, das Schicksal hat etwas dagegen, geplant zu sein.
14. März 2018 |
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