Kurzgeschichten > Alltag |
 |
|
Beuteschema
von Vanessa Baumann >>
Er starrte sie aus hungrigen Augen an, sie hatte seine Aufmerksamkeit schon vor einer Weile in Anspruch genommen. Er hatte sich ihr soweit genähert, dass er sie studieren konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Sie passte genau in sein Beuteschema: Nicht zu dünn, nicht zu füllig, abgelenkt, alles um sie herum vergessend, bewegte sie sich mit der Grazie einer Gazelle, umgeben von Ihresgleichen. Unbewusst leckte er sich mit der Zunge über seine Lippen. Ja, heute war definitiv wieder einer dieser Nächte, auf denen er auf Beutezug war. Er war sich sicher, dass ein Erfolg seine Nacht beenden würde, wie meistens. Er war der geborene Jäger und sie würde nur eine weitere auf der Liste seiner erfolgreich gejagten Beute sein.
Langsam ging er näher, ausserhalb ihres Blickfeldes, wohl darauf bedacht, mit der Umgebung zu verschwimmen. Sie durfte ihn nicht entdecken. Er näherte sich ihr von hinten, sie merkte nichts, die ganze Gruppe beachtete ihn nicht. Ihm war es mehr als nur recht, immerhin verlief alles nach Plan. Er war nun direkt hinter ihr, seine Augen musterten sie abermals.
Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Schulter, woraufhin sie sich, wie erwartet, etwas erschrocken umdrehte, ihn aus grossen Augen musterte, Scheu spiegelte sich in ihren Augen. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, ehe er sich zu ihr hinunter beugte, seine Lippen dicht an ihrem Ohr. „Darf ich dich auf einen Drink einladen?“, sagte er die altbekannten Worte, seine Nase streifte ihr Ohr leicht, fast so als wäre es ein Versehen, als er sich wieder gerade aufrichtete und abermals sein Lächeln aufblitzen liess.In ihren Augen lag nun Skepsis, ehe sich ihre Züge entspannten und sie mit einem Lächeln nickte. Kurz drehte sie sich zu ihren Freundinnen, sagte etwas, und folgte ihm. |
 |
|
Seite
von 3 |
|
 |
Kommentare (0) |
|