Kurzgeschichten > Alltag |
 |
|
Auch ein Gaukelspiel macht Sinn
von joLepies >>
Geduldig nahm Fred im Wartezimmer Platz.
Du liebe Zeit ..., der erste Patient ist schon eine halbe Stunde bei der Doktorin. Was machen die beiden bloß so lange? Schließlich bin ich der zehnte hier.
Einige Besucher sehen seit geraumer Zeit zu mir herüber. Wahrscheinlich macht es sie nervös, dass ich immer auf die Uhr schaue. Meinen wohl ich hätte einen Tick - gehörte deshalb zu einer anderen Doktorin. Von wegen. Ist eben ein schönes Stück, meine Solarfunkuhr. Nur deshalb schaue ich immer drauf. Ganz aus Titan. Auch das Armband. Stand im Katalog. Ist unverwüstlich und auch allergiefrei. Kostete ein kleines Vermögen. Sich was leisten, macht eben fröhlich.
Das Geld muss immer im Kreis laufen, sagen die Politiker. Wir sollen mehr konsumieren. Viel mehr. Das mache noch fröhlicher. Auch die Branchen. Und wenn die glücklich sind, produzieren sie noch viel mehr Begehrlichkeiten, deren Inhalte dann von uns erneut zu konsumieren sind.
Doch weil ich im Augenblick nicht weiter konsumieren kann, deshalb unzufrieden bin, sitze ich jetzt hier bei der Doktorin. Meine rechte Hand tut weh. Bin Freiberufler. Brauche zum Arbeiten zwei Hände. Keine Aquarelle, keine Honorare. Und wenn ich kein Geld habe, müsste die Doktorin für mich bald einen Totenschein ausstellen.
Aber meine Doktorin wird die Hand schon richten. Und dann kann ich wieder zarte Farben mischen und ätherische Bilder malen - damit Geld verdienen. Dann viel verbrauchen, wie die anderen auch. Und erneut zufrieden sein. Vielleicht sogar vermischt mit einigen Unzen Glück. Weil mich dann kein Schmerz der rechten Hand daran hinderte, meine Doktorin zu streicheln. Wenn es dann dazu käme.
|
 |
|
Seite
von 3 |
|
 |
Kommentare (0) |
|