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sog den aromatischen Duft des edlen Rebensaftes ein. Diesen Moment nutzte sie, um sich zu konzentrieren.
„Ein idealer Frühstückswein.“
Entsetzt schaute Herr Handorf die Frau an.
„Nun, der Duft von Cassis, Toast und Kaffee ist wohl kaum zu unterschlagen.“
Langsam ließ Frau Wichert einen Schluck die Kehle passieren. Dabei gab sie sich größte Mühe, ihre Mimik im Griff zu haben. Wie kalten Spinat würgte sie den Wein hinunter.
„Dieser Merlot hat Stil und Charakter. Für mein Empfinden hätte der Winzer etwas mehr Cabernet Sauvignon dazugeben müssen. Das Potential dieses Weines lässt auf großes hoffen. Meine Empfehlung: Trinken oder lagern.“
„Phantastisch“, lobte der Fachmann die Frau. Es ist eine Freude mit ihnen zu probieren.
„Lassen Sie das bloß nicht meinen Mann wissen“, scherzte die Frau des Bankdirektors. Dann wand sie sich ab, weil sie nun langsam ihren Mann erwartete.
Mit der Liste in der Hand, auf die sie von Zeit zu Zeit einen Blick warf, schlenderte sie langsam zu einem Saint Emilion, den ihr Mann besonders liebte. Freundlich empfing eine kleine Gruppe, bestehend aus zwei Herren und einer Dame, die bereits von mehreren Seiten beobachtete Frau. Alle drei stellten sich vor und der Chef der drei erklärte Anja noch zusätzlich, dass er der Besitzer vier etablierter Drei-Sterne-Restaurants sei. Frau Wichert schüchterte das nicht im Geringsten ein, denn es würde sicher niemand bei einer Arrivage de Bordeaux über italienische Weine mit ihr reden wollen.
„Düfte ich Sie bitten, diesen Wein mit uns zu probieren.“
Schon füllte der Restaurantbesitzer ihr Glas mit einem Chateau Magnan La Graffeliére Grand Cru, Clos La Madeleine 2001.
Anja Wichert fand mittlerweile Gefallen an dieser Weinprobe und genoss ihren Auftritt. Es störte |
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